Richtfest: Heizwerk und Hackschnitzelkessel stehen schon
Trotz Hochwasser erreichen e-con und seine Partner einen Meilenstein beim Fernwärmeprojekt Memmingen Süd/Benningen
Das aktuell größte regenerative Energieprojekt in der Region, das Fernwärmeprojekt „Regenerative Wärmeversorgung Memmingen Süd und Benningen“, hat einen bedeutenden Meilenstein erreicht: Nach nur sechsmonatiger Bauzeit steht nun der Rohbau des Heizwerks und damit das Herzstück des Projekts. Installiert wird dort gerade ein 13 Meter hoher Hackschnitzelkessel mit einer Leistung von 5.000 kW, die zentrale Einheit für die Energieversorgung. Die in Memmingen ansässige e-con AG investiert über 20 Millionen Euro in das Fernwärmeprojekt. Die ausschließlich regenerative Energieerzeugung reicht für die komplette Wärmeversorgung der Gemeinde Benningen, aber auch Teile der Stadt Memmingen sowie Industriekunden wie die Memminger Niederlassung des Elektronikunternehmens Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG und Magnet Schultz (MSM).
„Das war wirklich eine Meisterleistung aller Beteiligten“, sagte e-con-Vorstand Peter Waizenegger jetzt beim Richtfest. „Es war wirklich eine riesige Herausforderung, den Zeitrahmen einzuhalten. Nicht nur beim Bau der Energiezentrale, sondern auch beim Netzausbau machte uns der gestiegene Grundwasserspiegel sehr zu schaffen. Es waren umfangreiche Wasserhaltungsmaßnahmen nötig, von der Genehmigung bis zur Ausführung war das sehr aufwändig, aber am Ende gibt uns der Erfolg recht. Toll, dass wir diesen Bauabschnitt jetzt noch vor dem Jahresende fertigstellen konnten. Das war so nicht immer abzusehen.“, so Waizenegger. Bereits beim Spatenstich im Juni hatten die Verantwortlichen mit den Beeinträchtigungen des Mai-Hochwassers zu kämpfen. „Umso bemerkenswerter ist die Leistung aller am Projekt und natürlich vor allem den am Bau Beteiligten einzuschätzen. Vielen Dank für dieses tolle Miteinander und ein großes Lob an die Verantwortlichen der Unglehrt GmbH & Co. KG sowie das Architekten- und Planerteam von Mokrani Systembau beim Bau der Heizzentrale sowie die Teams der Alois Müller GmbH und von Max Wild für den Netzausbau“, so Waizenegger.
Kein gewöhnliches Gebäude
Das traditionsreiche Memminger Bauunternehmen Unglehrt hat das 48 Meter lange und 26 Meter breite Gebäude des Heizwerks aus mehr als 180 Betonfertigteilen erstellt und setzte weitere 850 m3 Beton z.B. für Fundamente, Bodenplatte und Decken ein. Bis es aber so weit war, gab es einige knifflige Aufgaben zu lösen. Allein der hohe Grundwasserstand am Standort, der Memminger Straße 44 in Benningen, hatte dazu geführt, dass die Baugrube des Kellers während des Baus mit bis zu 14 Meter hohen Spundwänden abgesichert und abgedichtet werden musste.
„Eine weitere, ganz besondere Herausforderung war es, die vielen und vor allem sehr großen Rohre mit teilweise über 70 cm Außendurchmesser unter und zwischen den Fundamenten hindurch von unten durch die Bodenplatte zu führen. Um die notwendigen Rohrgräben in den beengten Baufeldern kostengünstig und schnell abzusichern, haben wir erstmalig auf Flüssigboden zurückgegriffen“, erklärt Enrico Lagoda, der verantwortliche Projektleiter für Großprojekte im Bereich erneuerbare Energien bei der e-con AG. Diese Lösung kam von der Max Wild GmbH aus Berkheim. Der Spezialist für Recyclingbaustoffe half mit dem innovativen Verfüllbaustoff aus, der vorwiegend aus Bodenhaushub besteht. „Da hat Max Wild genau das richtige Verfahren zur richtigen Zeit angeboten“, so Lagoda.
Not macht erfinderisch
Eine Meisterleistung vollbrachten auch die Fachhandwerker der Alois Müller GmbH mit Sitz in Ungerhausen. Weil die Rohrgräben nach dem Hochwasser lange Zeit mit Wasser gefüllt waren, konnten die Schweißarbeiten nicht – wie ursprünglich – in den Gräben erfolgen. „Unser Team hat dann ganze Rohrabschnitte oberirdisch verschweißt und vorbereitet. Diese Konstrukte, die zum Teil auch aus Bögen bestanden, wurden anschließend vorsichtig in die Gruben eingehoben, gegen Auftrieb gesichert und dann auch mit dem Flüssigboden verfüllt. Das hat wieder einmal gezeigt: Not macht erfinderisch, aber wenn alle Spezialisten zusammenhalten, dann klappt das am Ende auch“, freut sich Andreas Müller, Geschäftsführer der Alois Müller Gruppe und Mitinitiator des Fernwärmeprojektes „Regenerative Wärmeversorgung Memmingen Süd und Benningen“.
Was lange währt, wird gut
Besonders froh sind die Verantwortlichen, dass auch der Trassenbau in Richtung Memmingen so weit vorangetrieben werden konnte, dass noch vor Weihnachten der Verkehr wieder über die Schaltwerkstraße und Riedbachstraße fließen kann. „Dies wird natürlich in erster Linie die Anrainer in Benningen und im Memminger Süden freuen, hatte es doch hier größere Verzögerungen gegeben, die hauptsächlich dem überdurchschnittlich hohen Grundwasserstand geschuldet waren. Unter anderem war es notwendig, eine aufwendige Bauwasserhaltung mit gut einem Kilometer Länge zu genehmigen und zu errichten, um bis zu 400 Liter Wasser pro Sekunde aus dem Bereich der Rohrleitungsgräben abzupumpen. Toll dass wir auch diese Herausforderung gemeistert haben. Wir können allen Betroffenen und vor allem den Anrainern nur sehr herzlich für Ihre Geduld danken“, sagt Waizenegger.
Das Fernwärmeprojekt im Memminger Süden und der Gemeinde Benningen beeindruckt mit tollen Zahlen: Denn durch die Nutzung von ausschließlich regenerativen Energien können jährlich so 2,5 Millionen Kubikmeter Erdgas und bis zu 7.500 Tonnen CO2 eingespart werden. Das Heizwerk Memmingen Süd/Benningen ist das Herzstück: Hier wird die Wärme vom neuen Hackschnitzelkessel und von Großwärmepumpen erzeugt, die über regenerativen Strom aus den Photovoltaikanlagen an der Start- und Landebahn des Allgäu Airports versorgt werden.
Testphase läuft
Für den ersten Bauabschnitt des Fernwärmenetzes läuft bereits die Testphase. „Wir haben das Netz bereits mit vollentsaltzem Wasser befüllt. Der Dauerbetrieb der Energiezentrale ist dann zum Beginn der Heizeperiode, also im Herbst 2025 geplant“, erklärt Lagoda.
Leistung kann erweitert werden
Die Netzinstallationen in Benningen und dem Bereich Memmingen-Süd sind so vorausschauend geplant, dass sogar bis zu 50.000 MWh an Wärmeleistung möglich sind, die Zahl der Großwärmepumpen lässt sich bei Bedarf entsprechend erweitern. Außerdem ist das Fernwärmenetz Memmingen Süd/Benningen auf eine neue innovative Technologie ausgelegt, bei der unter anderem die Niedrig-Temperatur-Abwärme aus den Kühlprozessen von Industriekunden als Wärmequelle für die Wärmepumpen genutzt wird. „Dadurch haben unsere Großwärmepumpen einen Doppelnutzen und einen sensationell hohen Wirkungsgrad“, erklärt Waizenegger.
Benningen: langfristige Versorgungssicherheit
Von der grünen Wärme profitieren vor allem die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Benningen. „Durch das Projekt mit e-con haben wir eine langfristige Versorgungssicherheit und der gute Zuspruch zeigt, dass das Konzept ankommt“, sagt Bürgermeister Martin Osterrieder. Von den 34 Anwesen, die an der neuen Trasse entlang der Memminger Straße liegen, nutzen 26 sofort oder mittelfristig den neuen Fernwärmeanschluss.
Rohde & Schwarz: Weitestgehend weg von Gas
Früh zum Projekt bekannt hat sich die Rohde & Schwarz Messgerätebau GmbH & Co. KG im Gewerbegebiet Süd in Memmingen als Pilotprojektpartner aus der Industrie. „Durch die Umstellung auf Fernwärme werden wir in Memmingen zu einem sehr großen Teil vom Energieträger Gas wegkommen und jährlich bis zu 270 Tonnen CO2 einsparen. Das ist ein echter Meilenstein bei der Umsetzung unserer Klimastrategie 2030“, sagt David Friesinger, Energie- und Umweltmanager bei Rohde & Schwarz in Memmingen. „Es freut uns zudem, dass die Rohrleitungstraße vom Heizwerk in Benningen bis zu unserem Standort komplett fertiggestellt ist. Da haben in den letzten Monaten alle Beteiligten auch unter den schwierigen äußeren Bedingungen wirklich Vollgas gegeben.“
Auch Magnet-Schultz (MSM) hat sich im Rahmen einer strategischen Partnerschaft zum klimaneutralen, regionalen Fernwärmeanschluss bekannt und will mit diesem Schritt sogar bis zu 500 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. „Das ist ein weiterer Schritt zu einer sicheren und nachhaltigen Wärmeversorgung für uns“, sagte Geschäftsführer Dr. Albert Schultz jüngst bei der Vertragsunterzeichnung.
„Das sind natürlich tolle Fingerzeige, wenn zwei der bedeutendsten Industrieunternehmen diesen Schritt gehen und voll und ganz auf regenerativ erzeugte Energien setzen. Ich hoffe, das Projekt macht Schule. Wenn mehr Gemeinden und Unternehmen auf Fernwärmenetze setzen, dann kann uns die Energie- und Wärmewende gelingen“, erklärt Andreas Müller.
Infos zur Energiezentrale Heizwerk Memmingen Süd/Benningen und Fernwärmenetz:
Planung: Seit Juni 2022
Baubeginn Netz: Juni 2023
Baubeginn Heizzentrale: April 2024, Spatenstich: Juni 2024
Inbetriebnahme Heizzentrale: September 2025, Teilinbetriebnahmen eventuell auch früher
Errichtung Energiezentrale: Gewerbegebiet Benningen
Leistung Hackschnitzelkessel: 5.000 kW
Hochtemperatur-Wärmepumpen, 1. Ausbaustufe: ca. 1.500 kW
Pufferspeicher Heizung: 240.000 Liter
Pufferspeicher Abwärme: 120.000 Liter
Länge Netz Haupttrasse: 2,5 km (1. Abschnitt) und 1,7 km (2. Abschnitt)
Wasserinhalt Netz: 700.000 Liter